Der Propeller Club, Port of Basel, vereint Führungskräfte an den Schalthebeln des Güterverkehrs. Präsident ist Christian Doepgen. Ein Interview mit ihm beleuchtet wie sich die globale Unsicherheit auf den Transport- und Logistiksektor der Schweiz auswirkt und welche Chancen er sieht.
Herr Doepgen, Sie sind Präsident des Propeller Clubs Port of Basel. Aktuell beherrschen geo- und handelspolitische Spannungen die Märkte. Welche Auswirkungen hat die globale Unsicherheit Ihrer Meinung nach auf die Import- und Exportaktivitäten von Schweizer Unternehmen?
Die Situation in der ersten Jahreshälfte 2025 ist außergewöhnlich. Täglich gibt es neue Nachrichten über regulatorische Unsicherheiten und Sanktionen. Diese wirken sich auf vielfältige Weise auf die Schweizer Import- und Exportlandschaft aus. Als Binnenland ist unsere Industrie von stabilen Transitrouten durch die EU abhängig. Sie ist daher von Unterbrechungen der globalen Schifffahrtswege betroffen. Aufgrund der Konflikte im Nahen Osten müssen viele Schiffe den Suezkanal und das östliche Mittelmeer meiden. Dadurch stocken entscheidende Importe aus Asien für die Schweizer Pharma-, Uhren- und Elektronikindustrie. Das verursacht Kosten. Hinzu kommen die gestiegenen Treibstoffpreise und die begrenzte Verfügbarkeit von Containern. Schweizer Exporteure, insbesondere aus hochwertigen Sektoren wie beispielsweise Präzisionsinstrumenten oder Chemikalien, müssen sich nun entscheiden, ob sie diese Kosten auffangen oder an ihre Kunden weitergeben.
Kürzlich erzählte Monika Rühl, Leiterin des economiesuisse, ein großer Schweizer Think-Tank, im Propeller Club, Hafen Basel, dass mögliche US-Zölle fast die Hälfte der Schweizer Wirtschaft betreffen würden – darunter zahlreiche Sektoren – von den Uhrenherstellern in der Westschweiz bis zu den Maschinenherstellern im Osten unseres Landes. Bereits heute sind in den 20 führenden Volkswirtschaften der Welt insgesamt 4650 Einfuhrbeschränkungen in Kraft. Diese Situation verlangt Maßnahmen. Die Schweizer Import- und Exportindustrie muss widerstandsfähiger werden. Doch jedes Risiko birgt auch Chancen. Ich zitiere dazu den US-amerikanischen Autor John A. Shedd: „Ein Schiff ist sicher im Hafen, aber dafür sind Schiffe nicht da.”
Italien ist weltweit vor allem für Kunst und Lebensqualität bekannt, weniger jedoch für seine logistischen Fähigkeiten. Was ist Ihre Meinung? Glauben Sie, dass die Südroute eine strategische Option für Schweizer Unternehmen sein könnte?
Ich persönlich habe den Eindruck, dass der Ruf Italiens als Logistikland in der Schweiz immer besser wird. So benötigt der Gotthardtunnel als Herzstück der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) gut ausgebaute Zubringerstrecken, um eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zu bewirken. Italien hat in den letzten Jahrzehnten gute Arbeit beim Ausbau dieser Strecken geleistet – im Gegensatz zu Deutschland im Norden.
Mehr als zehn Prozent des Umschlags in italienischen Häfen entfallen zudem auf Schweizer Ein- oder Ausfuhren in Containern. Genua ist in diesem Bereich einer der herausragenden Häfen, da er auf den Containerumschlag ausgelegt ist und eine starke geografische Verbindung zur NEAT aufweist. Um das Risiko zu minimieren, bemühen sich die Schweizer Unternehmen
zudem aktiv um eine Diversifizierung ihrer Lieferanten und den Aufbau robusterer Lieferketten. Dabei nimmt die Bedeutung Asiens stetig zu. Das dem Schweizer Parlament vorliegende Freihandelsabkommen mit Indien soll nun rasch ratifiziert werden, Malaysia wird zu gegebener Zeit folgen. Wir haben bereits Abkommen mit Singapur, den Philippinen, Südkorea und Indonesien abgeschlossen und werden im Jahr 2024 ein neues Freihandelsabkommen mit Thailand unterzeichnen. Dies wird mehreren Gateways nach Europa und dem innereuropäischen Handel zugutekommen, insbesondere dem Schienengüterverkehr über die Alpenkorridore.
Im März empfing der Propeller Club eine Delegation der Häfen von Genua zu einer ausführlichen Diskussion über die Entwicklung globaler Lieferketten. Welchen Eindruck haben die Unternehmen mitgenommen? Sehen sie Möglichkeiten für eine fruchtbare Zusammenarbeit?
Die knapp 80 Teilnehmer aus dem Logistik-Cluster der Region waren sehr positiv beeindruckt. Sie beteiligten sich aktiv an der Rede von Admiral Massimo Seno. Unter anderem erfuhren wir von massiven Investitionen in Höhe von drei Milliarden Euro in die Hafeninfrastruktur. Wir lernten die Vorteile Genuas als strategisches Tor für Schweizer Spediteure kennen. Dazu zählt beispielsweise der direkte Zugang zu globalen Handelsrouten. Während der transport logistic 2025 in München und bei einem weiteren Treffen in Genua werden die Gespräche fortgesetzt. Interessierte beider Seiten werden sich während der transport logistic 2025 in München und später in diesem Jahr in Genua treffen – vor Ort.